Die 1910er Jahre
Die Entstehungsjahre
Am 24. Juli 1910 trafen sich 18 Männer im Saal von Daniel Frieß, um einen katholischen Arbeiterverein zu gründen. Die allgemeinen Ziele dieser damals in vielen Orten gegründeten Vereine lagen darin, die Mitglieder durch intensive staatsbürgerliche Schulung in religiöser und sittlicher Moral zu festigen. Die politische Landschaft in der guten alten Kaiserzeit, in der jeder zum Sonntagsgottesdienst verpflichtete Katholik wusste, wo er politisch hingehörte, begann sich zu verändern. Das Erstarken der sozialdemokratischen Bewegung in den Industriezentren wirkte sich auch auf den ländlichen Raum aus und die als Partei des politischen Katholizismus gegründete „Zentrum“ begann um ihre Vormachtstellung zu fürchten. Durch die Gründung der katholischen Arbeitervereine sollte dieser Entwicklung entgegengewirkt werden.
Dem ersten Vorstand dieses Vereines gehörten an: Erster Vorsitzender: Karl Treiling | Kassierer: Joseph Grimm | Schriftführer: Johann Borger
In der Generalversammlung vom 21.05.1911 wurde die Anschaffung einer Vereinsfahne beschlossen. Sie wurde für 135 Mark in Mainz gekauft. Das Geld wurde durch Haussammlungen und Spenden aufgebracht. Am 15. Juni 1911 fand die feierliche Fahnenweihe statt. Eine dekorative Fahne mit gelber Schrift auf blauem Grund wurde nun zum Symbol des Arbeitervereins und zeigte nicht nur den Mitgliedern an, aus welcher Richtung der Wind bei kirchlichen und weltlichen Feiern wehte.
Bereits zwei Jahre später wurde in einer Versammlung von den mittlerweile 43 Mitgliedern der Wunsch geäußert, eine Blaskapelle zu gründen. Mit einem Darlehen von 400 Mark von Johann Marx II wurde die Anschaffung der ersten Musikinstrumente finanziert. Als Bläserausbilder und erster Dirigent wurde Karl Pfeifer aus Offenheim verpflichtet. Bereits am 29.12.1912 spielte die Musikkapelle während einer Abendunterhaltung im Gasthaus von Karl Lind einige Stücke.
Die nächsten beiden Jahre brachten dem Verein eine stetige Aufwärtsentwicklung. Ein Tanzkurs, Theateraufführungen und kleine Konzerte wurden abgehalten. Kaisers Geburtstag und Regierungsjubiläen (1913) wurden gefeiert; und man organisierte am 10.05.1914 erstmals eine Wallfahrt nach Marienthal. All diese Veranstaltungen förderten den Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl des Vereins.
Im Jahre 1914 brach der erste Weltkrieg aus und viele junge Männer aus Weinheim mussten an die Front. Die Aktivitäten des Vereines kamen zum Erliegen. Im Juli 1917 wurden in beiden Kirchen die Orgelprospektpfeifen ausgebaut, die Gallus- und Muttergottesglocke vom Turm der katholischen Kirche herab genommen und die große Glocke aus den Türmchen der evangelischen Kirche entfernt, „um dem Moloch Krieg geopfert zu werden“.
Nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrages marschierten am 09.12. 1918 französische Truppen in die linksrheinischen Gebiete –also auch in Weinheim- ein. Bereits am 09. Januar 1919 trafen sich die Vereinsmitglieder, um die Musikkapelle wieder zu beleben. Als Dirigent wurde Johann Wildmann aus Erbes-Büdesheim vorgeschlagen. Obwohl man für jede Veranstaltung von den Besatzungsbehörden in Alzey „Chef de Bataillon Chaumont“ eine Genehmigung brauchte, begann sich das Vereinsleben neu zu entwickeln.
Die 1920er Jahre
Der Verein wächst unter schwierigen Umständen
Die Inflation im Jahr 1923 stellte auch den Verein vor fast unlösbare Aufgaben. So wurde in der Hauptversammlung vom 28.01.1923 beschlossen, den Monatsbeitrag auf 10 Mark und die jährliche Vergütung des Vereinsdieners auf 1000 Mark zu erhöhen. Am 16. Juni 1923 wurde der Mitgliedsbeitrag auf 1000 Mark im Vierteljahr festgesetzt. Außerdem bereiteten dem Vorstand die Forderungen des Dirigenten großes Kopfzerbrechen. Er verlangte nämlich 2000 Mark pro Musikstunde. Eine Haussammlung, bei der jedes Mitglied 1500 Mark zeichnen sollte, half dem Verein kurzzeitig über die größten finanziellen Schwierigkeiten hinweg. Doch es kam noch viel schlimmer. Für die am 6. Januar 1924 stattfindende Abendunterhaltung sollte das Mitglied „Michael Hauck den erforderlichen Wein 1923er natur zum Preis von 700 Milliarden den Liter zur Verfügung“ stellen.
An einem Ereignis von großer überregionaler Bedeutung, waren die Männer des Weinheimer Arbeitervereins im Sommer 1923 beteiligt. „Trotz des passiven Widerstandes und des Versagens nahezu sämtlicher Verkehrsmittel, kamen die Vereine von Alzey, Armsheim, Erbes-Büdesheim, Flonheim, Ober-Flörsheim, Sulzheim und Weinheim im katholischen Vereinshaus in Alzey zusammen und gründeten den Verband der Kirchenmusikvereine, aus dem dann 1948 der „Diözesanverband der katholischen Bläserchöre des Bistums Mainz“ hervorging. Die Männer der ersten Stunde waren äußerst rührig. Unter schwierigsten Verhältnissen ließen sie Notensätze für 80 Choräle drucken und gaben die pfiffige Monatsschrift „Der Herrgottsspielmann“ heraus.
Nachdem die Inflationsjahre überstanden waren und sich der erste wirtschaftliche Aufschwung abzeichnete, beschlossen die Vereinsmitglieder die Anschaffung einer größeren Vereinsfahne. Während des Stiftungsfestes wurde die Fahne am 14. Juni 1925 geweiht und von den Festjungfrauen überreicht. Neben vielen Musikvereinen der Umgebung nahmen auch die damaligen Weinheimer Vereine der Gesangverein Sängerbund, der Gesangverein Eintracht, der Turnverein und der Fußballclub Arminia 1920 an dem Fest teil. In der Chronik wurde zu diesem Tag vermerkt „Es bleibt zu hoffen, dass durch die Fahne der Ansporn zu engerem Zusammenschluss der katholischen Männer und Arbeiter geweckt wird. Das walte Gott“. Daran kann man deutlich erkennen, wie sich die religiösen Grundhaltungen und Denkweisen gegenüber von heute verändert haben.
Manches hat sich gegenüber heute allerdings kaum verändert. So ist aus den Protokollbüchern zu entnehmen, dass die Musiker nach dem Fest nur unregelmäßig die Musikstunden besuchten. Nachdem auch noch Streit über das Vereinslokal -jeder bevorzugte eine andere Gastwirtschaft- ausgebrochen war, wurde der Musikbetrieb eingestellt. Erst im November 1927, beschloss der Vorstand wieder Musikstunden abzuhalten. Dass sich die Situation kaum geändert hatte, belegt der Vermerk im Protokoll, dass am 19.02.1929 alle Musiker zu einer Aussprache eingeladen wurden, damit wieder Ordnung einkehrt. Die Bläserkrise konnte aber nicht beseitigt werden und das Musizieren kam wiederholt zum Erliegen. Trotzdem veranstaltete der Verein in dieser Zeit Theatervorführungen und organisierte Vereinsausflüge und Wallfahrten.
Die 1930er Jahre
Der zweite Weltkrieg
In diese Zeit fällt auch der Neubau des damaligen Vereinshauses. Unter der Regie von Pfarrer Lederer und Architekt Karl Bayer wurde ein katholisches Schul- und Gemeindehaus gebaut, das den älteren Mitbürgern als katholisches Vereinshaus noch gut in Erinnerung sein dürfte. Das neue Haus wurde am 18.09.1932 eingeweiht und der kath. Arbeiterverein stellte die Geldmittel für die Anschaffung der Möbel zur Verfügung. Das neue Vereinshaus wurde von den Vereinsmitgliedern gut angenommen. Alle Veranstaltungen wurden hier durchgeführt. Das Haus bot aus damaliger Sicht alle Voraussetzungen für mehr.
Unabhängigkeit und eigenständige Aktivitäten; und das war eine gute Basis für die kontinuierliche Weiterentwicklung des Männer- und Arbeitervereins.
Dann brachte der politische Umschwung den Verein erneut in Schwierigkeiten. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten war es nicht einfach, sich zu den kirchlichen Idealen zu bekennen. So vermerkt der damalige Pfarrer Müller eine Anordnung der NS-Partei, dass die gleichzeitige Mitgliedschaft in der Kirchenmusik und der Parteiformation nicht möglich ist. Am 21.02.1934 beschloss der Verein, die Musikinstrumente der katholischen Kirche zu vermachen und somit dem Zugriff der NS-Partei zu entziehen.
Am 14.02.1935 fand die letzte Generalversammlung statt und im Jahr 1938 wurde der Männer- und Arbeiterverein durch Parteibeschluss aufgelöst. In den Kriegsjahren fanden kaum Aktivitäten der Kirchenmusik statt, da viele Bläser an die Front mussten.
Nach Beendigung des Krieges formierte sich wieder ein kleiner Bläserkreis, der an Weihnachten 1945 zum ersten Mal in der Kirche spielte. Ein bescheidener Anfang war ja gemacht. Jetzt konnte es nur noch aufwärts gehen.
Die 1940er Jahre
Die Nachkriegsjahre
Allmählich kamen immer mehr Mitglieder aus der Gefangenschaft heim und neue Bläser wurden angeworben. Ein starkes Blasorchester konnte auf dem Katholikentag in Mainz 1948 sein Können unter Beweis stellen. Das Blasorchester hatte oft die Gelegenheit, die Veranstaltungen der Pfarrgemeinde zu beleben. Die Familienabende und kirchlichen Feste waren ohne die Kirchenmusik nicht mehr denkbar.
Doch der KMV durfte in diesen Jahren als eigenständiger Verein noch nicht geführt werden. Die strengen Auflagen der französischen Besatzungsmacht ließen dies nicht zu. Jede Veranstaltung musste beim Landratsamt angemeldet werden. Anschließend war ein Protokoll in deutscher und französischer Sprache abzuliefern. Überhaupt waren die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg sehr schwierig. Die alten Musikinstrumente mussten repariert und neue Instrumente angeschafft werden.
Die Kosten wurden von den Musikern selbst bezahlt, da das Vereinsvermögen hierzu nicht ausreichte. Die beiden Vereinsfahnen hatten die Kriegswirren gut versteckt auf einem Dachboden überdauert und werden noch heute im Musikerraum aufbewahrt. Der Verein konnte dann einen stetigen Zuwachs an aktiven und inaktiven Mitgliedern verzeichnen und die Teilnahme an den Diözesanmusikfesten in Alzey (Pfingsten 1949), Bingen (Pfingsten 1950) und Biblis (1954) war für die jungen Bläser ein besonderes Erlebnis.